The Other Window
Die aus Frankreich stammende Künstlerin hat 2002 ihren Abschluss an der École supérieure d'art et de design in Marseille gemacht und lebt seit einigen Jahren in Leipzig, wo sie – wie sie sagt – aus verschiedenen Gründen ideale Bedingungen für ihr künstlerisches Schaffen gefunden hat. Die hier und in der Umgebung noch immer allgegenwärtigen Spuren der Vergangenheit, des Verfalls und Wiederaufbaus fügen sich in ihr großes Thema, die Zeit, oder genauer die Vergänglichkeit. Es sind diese „Geschichtstrümmer“, aus denen sie zunächst fotografische Spuren sammelte, „das Spektakuläre meidend“, in einem Kampf gegen das Vergessen und die Schnelllebigkeit der (medialen) Welt, die uns umgibt. Von der Fotografie hat sie sich mittlerweile abgewendet („I have stopped making photographs because of the digitalization of the medium; […] the removal of an element of surprise have contributed this development in my work. For me, to choose the best picture out of one hundred no longer had value.“), um sich ganz der Malerei und der Zeichnung zu widmen. In ihren Arbeiten wird der Prozess deutlich, wie sich ein Bild manifestiert, ähnlich wie in der traditionellen Fotografie, wenn im Labor langsam das Motiv auf dem Papier erscheint. Mit ihren Arbeiten strebt die Künstlerin danach, die Lücke zwischen Abwesenheit und Präsenz eines Bildes zu schließen, weshalb sie häufig sehr helle Farben verwendet, die dann sowohl sein Erscheinen, als auch das Verschwinden, das Verblassen repräsentieren können. Dies ist etwa in der Werkserie der Fall, in welcher sich Germès mit Szenen aus Straßenkämpfen auseinandersetzt.
Das Quellenmaterial, das die Malerin benutzt, stammt meist aus Zeitungen, Geschichtsbüchern und dem Internet - „found footage“ also. Wohl wissend, dass die Schlagzeilen von heute rasch verrauschen und morgen durch ein anderes Thema ersetzt werden, extrahiert sie Bilder aus ihrem Zusammenhang und setzt sie, häufig zuvor aus inhaltlichen wie formalen Überlegungen noch verändert, in aufwendiger Technik malerisch um; hierbei arbeitet sie teilweise mehrere Monate an einer einzigen Leinwand. Fixierte Bewegungsspuren, die blassen Grautöne, das Fehlen eines malerischen Duktus oder häufig eine theatralisch inszenierte Lichtregie sind verschiedene Methoden, dem gewählten Thema eine völlig neue, wenig dramatische oder moralisierende Bedeutung zu geben und den Betrachter so in eine aktive Rolle zu „zwingen“. Dies ist der Künstlerin auch bei der Auswahl der Motive ein wichtiges Anliegen: Obwohl sie häufig Themen aufgreift, die sie persönlich bewegen - Palästina, Flüchtlinge, Afrika – legt sie großen Wert darauf, nicht propagandistisch tätig zu sein.
Es sind die Faszination des Verschwindens, die Isolation und der Blick in eine andere, gleichsam verstörende wie poetisch-kontemplative Wirklichkeit, welche die Konzepte von Florian Rosier und Céline Germès miteinander verbinden und auch zum Titel für diese erste gemeinsame Ausstellung angeregt haben, mit der nun ein schon lange gehegter Plan in die Tat umgesetzt wird.
Kay Brudy, 2016